Schulische Eingliederungshilfe
Kevin (Name geändert), 13 Jahre alt, ist immer ein unauffälliger, durchschnittlicher Schüler gewesen. Doch irgendwann nahmen die Probleme seiner Eltern derart zu, dass es ihm unmöglich war, sich auf die Schule zu konzentrieren. Ihr Streiten und die Alkoholproblematik, dazu die häusliche Gewalt, wurden zu einer täglichen Belastung. Diese Situation brachte den Stein ins Rollen: Er fehlte immer häufiger in der Schule. Wenn er da war, zeigte er sich aggressiv und unberechenbar, so dass seine Mitschüler Angst vor ihm bekamen und seine Lehrer keinen Sinn mehr darin sahen, sich mit ihm auseinanderzusetzen. Irgendwann schließlich galt er als „nicht mehr tragbar“ und „unbeschulbar“.
Melissa (Name geändert), 16 Jahre alt, „macht keinen Ärger“, wie ihre Lehrer sagen, da sie als sehr angepasst und ruhig gilt. So bekam niemand mit, wie sie sich immer mehr isolierte, immer stiller wurde und niemanden mehr an sich heranließ. Ihre Leistungen wurden stetig schlechter, sie wurde von allen gemieden, man machte sich über sie lustig und mobbte sie schließlich. Nach einiger Zeit schloss sie sich in ihr Zimmer ein, unerreichbar für jeden, auch für ihre Eltern. Die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Schulabschluss hat sie schon seit Jahren nicht mehr erfüllen können.
Dies sind zwei Beispiele dafür, in welche Lage Kinder und Jugendliche geraten können und dass die Gründe, warum junge Menschen „abrutschen“ können, oft nicht oder zu spät wahrgenommen werden. Melissa und Kevin wohnen jetzt in der stationären Jugendhilfe. Sie wurden aus ihrem häuslichen Umfeld genommen, bekamen ein neues „Zuhause auf Zeit“ in einer neuen Umgebung und es kümmerten sich Erzieherinnen und Erzieher um sie.
Im Elisabethheim Havetoft schaffen die Mitarbeitenden neue, oft „letzte Chancen“ für die Kinder und Jugendlichen, indem sie auf mehreren Ebenen tätig werden: z. B. in der Wohngruppenarbeit, in der Arbeit mit den Eltern oder auch bei der Vermittlung und Bereitstellung weiterer Hilfen. Dazu können Therapieangebote, Hilfe zur Verselbständigung oder auch die Schulische Eingliederungshilfe (SEH) im Elisabethheim Havetoft gehören.
In Schleswig-Holstein gilt, wie überall in der Bundesrepublik, dass der Inklusionsgedanke auch in der Bildung gelebt werden soll. Trotzdem, so zeigt die Praxis, fallen immer einige Kinder und Jugendliche „durch das Raster“. Ihre Problematik überdeckt alles andere in ihrem Leben, so dass der Bereich Schule bei ihnen nur eine untergeordnete Rolle spielen kann. Für die Kinder der stationären Jugendhilfe ist die SEH eine Chance, wieder in schulischen Dingen Fuß zu fassen – egal, ob sie oder er ein Jahr oder länger keinen Klassenraum von innen gesehen haben.
Uns in der SEH geht es darum, die Schülerinnen und Schüler so zu nehmen, wie sie sind. Die Dinge, die sie in der Regelschule nicht kennenlernen konnten, dürfen sie bei uns neu erfahren. Wer z. B. in der Regelschule dem sozialen Druck nicht standhalten konnte und, um sich zu schützen, eine Mauer aus Verweigerung und Gewalt um sich gebaut hat, lernt in unserem geschützten und überschaubaren Rahmen, dass es auch anders geht. Wir Lehrkräfte in der SEH können ohne Druck die Schülerin oder den Schüler an versäumten Unterrichtsstoff heranführen. Wenn er oder sie sich drauf einlässt, ist es uns möglich, gemeinsam mit Geduld eine vertrauensvolle und angstfreie Lernatmosphäre zu schaffen, die motiviert und zu kleinen Erfolgserlebnissen führt. Auch der Spaß soll nicht zu kurz kommen!
Sehr hilfreich ist zudem die enge Zusammenarbeit mit allen an der Erziehung Beteiligten, wie Wohngruppenerziehern und -erzieherinnen, Eltern, Therapeutinnen und Therapeuten, Jugendamtsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern. Auch stehen wir in Kontakt mit den Lehrerinnen und Lehrern der aufnehmenden öffentlichen Schulen, um, wenn der Jugendliche „bereit“ ist, eine sukzessive Rückführung in das Regelschulsystem zu planen. Gemeinsam finden wir eine geeignete Klasse. Eine gelingende Zusammenarbeit zwischen den „Institutionen“ ist ein Baustein des Erfolges.
Ich selbst bin nun über 25 Jahre Lehrer in der SEH im Elisabethheim. Rückblickend kann ich sagen, dass wir es bei weit über der Hälfte unserer Schülerinnen und Schüler geschafft haben, diese zu stärken und zu reintegrieren. Aber das Allerschönste ist, wenn ich nach Jahren auf einer Weihnachtsfeier im Elisabethheim von nun erwachsen gewordenen, ehemaligen Jugendlichen angesprochen werde und sie sagen, dass sie die letzte Chance gerne wahrgenommen haben.
Schulische Eingliederungshilfe
„Alte Schule“
Pastor-Witt-Straße 6
24873 Havetoft
Tel. 0 46 03 / 94 00 – 29 (Lehrerzimmer)
oder pädagogische Leitung – 13
schule@elisabethheim.de
Leitung: Lars Kauffmann, Lehrer
Beginn des Arbeitszweiges: 1893 und als SEH 1996
Leistungsangebot:
Schulische Eingliederungshilfe nach § 27Abs. 3 SGB VIII (Tagessatz)